Tanz
Sie trug den „Himmel“ in ihrer Brust. Das wusste sie. Links war er, dort, wo auch ihr Herz saß.
Was ihr neu war, erst kürzlich war sie darauf gestoßen, war, dass sie auch die „Hölle“ in sich trug: auf der rechten Seite; auf der Seite, auf der sie schlecht liegen konnte, an der auch ihre Hand und der Fuß manchmal nicht so recht funktionierten.
Sie hatte es nach der Reise entdeckt, die ihr Volk nannte: „Reise ins All“. Niemand, der einmal diese Reise gemacht hatte, sprach hinterher jemals darüber. So wussten die, denen sie noch bevor stand, nicht, was sie erwartete. Sie selber hatte sich darunter vorgestellt, zu den Nachthimmelsternen zu reisen, die über ihrem Volk so freundlich leuchteten.
Aber das war es nicht. So war es nicht gewesen. Sie war in die Höhle geführt worden, die nach oben hin offen war, so dass der Himmel und die Sterne darüber zu sehen gewesen waren. Niemand hatte ihr gesagt, was sie tun musste. Niemand hatte ihr gesagt, was sie erwarten würde. Kein Ritual hatte stattgefunden, kein geheimnisvoller Trank war gereicht worden. Es war einfach so, dass sie – wie die Alten es erkannt hatten – reif war für diese Reise. Und man vertraute ihr. Man vertraute ihr, dass sie von alleine wissen würde, was zu tun sein, dass sie von ganz alleine in sich nach dem Schlüssel des Geheimnisses suchen würde. Und man vertraute ihr, dass sie den richtigen Weg erkennen und gehen, bis an sein letztes Ende gehen würde.
Wie war das nur gewesen? Erst drei Nächte war es her, und schon konnte sie sich nur noch ungenau an den Beginn der ersten Nacht erinnern.
Es war kühl gewesen, aber nicht unangenehm. Sie hatte sich hingelegt auf die dünne Decke und hinauf aus der Höhle in die Sterne geschaut. Wie sie diesen Himmel liebte! Sie war der festen Überzeugung, dass nur ihr Volk diesen wunderschönen Himmel besaß. Sie hatten ihn einmal vor langer Zeit geschenkt bekommen von dem Volk, das vor ihnen hier gelebt hatte.
Sie hatten diesen wunderbaren Himmel als Vermächtnis erhalten von einem Volk, das beschlossen hatte, die Erde zu verlassen. Dies hatte, so überlieferten es die alten Gesänge, gesagt, das es nun bereit sei, dass das ganze Volk bereit sei, die Erde zu verlassen und zu neuen Sternen aufzubrechen. Den Himmel hatten sie zurückgelassen, damit, wenn einer der Nachfahrenden sie besuchen kommen wollten, dies mit Hilfe der Sterne möglich sei.
Der Himmel war ein Geschenk gewesen zum Abschied. Und er war ein Versprechen gewesen, dass Neue Ufer möglich sein würden, irgendwann einmal.
Sie hatte gelegen, den Himmel betrachtet und über die alten Gesänge sinniert, sie leise vor sich hingesummt, Vers für Vers hatte sie gesungen, leise, zärtlich, mit tiefer Liebe im Herzen für das alte Volk vor ihnen und dem Himmel über ihr, als sie über einen Vers stolperte. Er war ihr vorher nie aufgefallen, er war immer so nebensächlich erschienen. Hätte sie ihn jemals beachtet, sie hätte sich gefragt, wozu dieser Vers überhaupt notwendig war. Sie hätte ihn vermutlich gestrichen.
Der Vers lautete:
Im Innern die Reise nach Oben geschieht.
Im Innern die Reise nach Unten geschieht.
Die Türe nach links geht zu Sonne.
Die Türe nach rechts zum Mond.
Im gleichen Innern sich beides vollzieht.
Im Innern ging es also nach oben? Wie konnte es dann sein, dass es auch nach unten ging und das im „gleichen“ Innern, wie das Lied besagte? Was bedeutete in diesem Zusammenhang „links“ und „rechts“?
Sie hatte ihre Brust berührt. Hier trug sie auf der rechten Seite seit einiger Zeit in Mal. Alle Erwachsene ihres Volkes trugen dies Mal, ein umgekehrter Halbmond – nur dass die Frauen dies Zeichen rechts und die Männer es links trugen.
Das zweite Mal trugen sie alle von Geburt an. Es war kreisrund und rot. Bei den Frauen war es auf der linken, bei den Männern auf der rechten Seite. Ihre Geschlechtlichkeit unterschieden sie weniger nach den körperlichen Zeichen – denn die hatten wenig zu bedeuteten – sondern nach diesen Malen.
„Die Türe nach links geht zur Sonne.“
„Die Türe nach rechts zum Mond.“
Es zog in ihr. Etwas drückte und zog und schmerzte in den Brüsten, je mehr sie den Vers auf sich wirken ließ. Sie sang ihn immer und immer wieder, merkte nicht, wie die Tränen ihr die Wangen herunter liefen, wusste nicht, ob sie selig oder zu Tode betrübt war.
So ging sie in sich. So fand sie heim, in das Schloss, dass sie selber war, das „Himmel“ und „Hölle“ in sich beherbergte, und das sie beauftragt war zu hüten.
Groß war es. Von nun an würde sie nie wieder unterscheiden können zwischen „innen“ und „außen“. Sie war durch den Park gelaufen, hatte den köstlichsten Blumenduft gerochen und von seltsamen Bäumen wunderbare Früchte gepflückt und gegessen.
Sie war durch viele Räume und Flure gelaufen, viele Stockwerke auf und ab gegangen. Statuen säumten die Wände, Gemälde, die überaus kostbar schienen. Und auch hier war es so, dass das Dach nach oben so durchsichtig war, dass sie den Himmel darüber klar erkennen konnte.
„Die Türe nach links geht zur Sonne.“ Es hatte viele Türen gegeben. Welche war gemeint? Sie sah zu Himmel über ihr auf und es schien ihr hell lichter Tag zu sein. Sie sah die Sonne über sich strahlen. Von nun an sah sie nicht mehr die Räume und Fluren, die sie durchschritt. Sie suchte den Weg, die richtige Türe zur Sonne. Und sie fand sie. Es war eine so kleine, unscheinbare Tür, dass sie sie fast übersehen hätte. Es hätte gut die Tür zu einer Besenkammer sein können. Als sie sie öffnete betrat sie einen stockdunklen Raum. Lautlos schloss sich die Türe hinter ihr. Kein Licht war hier, der Himmel dunkel, bzw. hier war die Decke so dicht, dass sie nicht hindurch sehen konnte. „Die Türe nach links geht zur Sonne.“ Hier war es dunkel. Sie konnte die Hand nicht vor den Augen sehen. Wie kam sie hier zur Sonne? Sie tastete die Wände ab, aber nirgendwo schien eine andere Türe zu sein, als die, durch die sie hereingekommen war. Dann tat sie das, was sie immer tat, wenn sie nicht weiterwusste: sie setzte sich einfach irgendwo hin und sang. Dabei klärte sich in der Regel ihr Kopf, und manchmal kam eine gute Idee dabei heraus.
Sie setzte sich, wo gerade war, auf den Boden, schloss die Augen, und sang, was ihr eben so einfiel. Die Töne wogten durch den stillen Raum, die Dunkelheit schien aufzuhorchen. Etwas wurde aufmerksam und kam näher. Sie sang. Sie legte die Stimme wie eine Welle unter den Klang, dieser flog davon, kreiste, kehrte zu ihr zurück, wurde wieder, diesmal als ein anderer, fort gesandt. Immer und immer wieder spielten Stimme und Ton das Spiel des Fortgehens und Heimkehrens.
Und es kam. Etwas lächelte, lächelte strahlend, und es wurde hell und licht, bis auch sie es durch die geschlossenen Lider sah und die Augen öffnete. Da stand Es – war es ein Er oder eine Sie? Sie konnte es nicht unterscheiden. Die Male, die dieses Geschöpf trug, waren nicht die ihres Volkes.
Aber das war nicht wichtig. Wichtig hier war einzig und allein das Lächeln – nein, Lächeln war zuwenig, viel zu wenig. Es strahlte! Wer hier vor ihr stand, leuchtete, strahlte, glänzte vor Freude aus jeder Pore der Haut, in jeder Augenwimper glühte das Glück. Die Zehen, die Arme, die Beuge des Halses – alles war aus Glück geboren, schimmerte in jeder erdenklichen Farbe, die Augen strahlten. Zärtlichkeit umgab das Wesen wie ein Duft.
Sie sagte gar nichts. Sie war nur stumm versunken in Betrachten, Schauen und Liebe.
Wie feine Ströme glitt dies alles in sie hinein, wie Wellen durchschauerte diese Freude ihren Körper, wie ein feinen Gespinst wurde sie durchzogen von all dem, was ihre Augen tranken, während sie schaute. „Bring mich zu dem anderen.“
War das letzte war sie hörte. Dann wusste sie nichts mehr. War sie? War sie nicht? Wenn sie war, wer war sie dann? War überhaupt irgendetwas? Nichts, was sie jemals erlebt gesehen, gefühlt oder gerochen hatte kam ihr so wirklich, so real vor, wie dieses hier.
Hatte sie die ganze Zeit geträumt? Oder träumte sie jetzt, hier? Sie wusste es nicht und würde es für den ganzen Rest ihres Lebens nicht mehr wissen. Sie war Teil eines Traumes innerhalb eines Traumes. Nur wer träumte: sie, oder jemand anderer, etwas anderes, das würde sie nie erfahren.
Langsam kam sie wieder zu sich. Es war, wie ein sehr langsames wieder in den Körper, die Hülle zurückfinden. Es tat ein wenig weh. Haut, Haare, Fußsohlen – Begrenzungen, so lange nicht mehr gekannt. Sie hatte ihre Heimat verloren. Ihr Leib, der Heimat gewesen war für so viele Jahre, würde es nie wieder sein. Herberge, ja, das war er wohl. Aber nur Herberge für einen Gast, der weiterziehen würde. Heim. Von nun an würde Heimweh sie quälen nach dem, woher sie kam, wo sie sich eben gerade noch aufgehalten hatte, und wohin es sie ziehen würde für den Rest ihres Lebens.
Aber sie gewöhnte sich. Langsam begann sie ihre Füße zu bewegen, Gesten wurden ihr wieder vertraut, der geschlossenen Schädel gab ihr das Gefühl erblindet zu sein. Und, in der Tat, war es um sie herum dunkel. Finster – so finster, wie es gewesen war, als sie den engen Raum betreten hatte.
Wo war das Schloss geblieben? Wo waren die süß duftenden Blumen, wo die köstlichen Bäume geblieben? Mühsam nur wurde ihr klar, dass dies ein Raum war, eine kleine Kammer. Sie erinnerte sich noch deutlich der Gemälde und Statuen – und des leuchtenden Wesens, das sie umfangen und in dessen Licht sie geruht hatte. Lichter war es nie gewesen in ihrem Leben – nicht im hellsten Sonnenschein.
„Bring mich zu dem andern.“ Das war eine Bitte gewesen, eine dringliche Bitte. Sie stand auf. Wer war „der andere“? Wo musste sie jetzt hin?
„Die Türe nach rechts zum Mond.“ Das musste es sein. Sie erhob sich. Leicht fühlte sie sich, frisch, rein. Auch schien sie gewachsen zu sein. Als sie sich betrachtete, schimmerte ihre Haut und ein leichter Glanz ging von ihr aus.
„Die Türe nach rechts zum Mond.“ Sie verließ die kleine Kammer und sah hinauf zu dem durchsichtigen Dach. Es war Nacht geworden und sie erkannte ihre geliebten Sterne wieder.
Der Mond stand hoch am Himmel, nicht voll, ein umgekehrter Halbmond, sanft leuchtete er, Regenbogen um sich herum. Sie lächelte. Wie sie den Mond immer genoss: die weiche Zärtlichkeit, die Kühle, die besänftigend, aber nicht kalt war, das zarte Strahlen, das durch und durch gehen konnte. Allerdings - er schwindelte manchmal, ein wenig, der Mond: gab sich als sanftes Leuchten und war doch von einer durchdringenden Kraft, die ihres gleichen erst noch finden musste.
„Die Türe nach rechts zum Mond.“ Sie wandte sich nach rechts. Wie magisch angezogen ging sie Flur um Flur, Stufe um Stufe, sie überlegte nicht, sie wurde gezogen oder gedrängt, sie wusste es nicht. Bis sie zu dem prachtvollen Portal kam. Etwas in ihr jauchzte auf. Sie würde etwas heimbringen, das fühlte sie. Etwas würde geeint werden, etwas, das getrennt und sehnsüchtig die Arme nacheinander ausstreckte.
Entgegen des inneren Dranges betrachtete sie das Portal in Ruhe. Sie würde ja hindurchgehen – wer auch immer sich hier so sehnte, würde diese wenigen Minuten nun auch noch warten können. Golden war es. Sie sah die Sonne groß und rund glänzend darauf, der Mond tanzte in verschiedenen Variationen darum herum. Wie ein Tanz, war es, tatsächlich, es schien so etwas wie eine Choreographie zu sein. Sehsucht wuchs in ihr, sie konnte dem kaum noch standhalten – aber etwas gab es noch zu erkunden auf dem Portal. Klein, etwas angekratzt, unscheinbar war es. Sie entdeckte es etwa in 20 cm Höhe: zwei Figuren in so inniger Umarmung, dass man nicht wusste, waren zwei oder eine – und sie wusste es wirklich nicht. Sicher war nur, dass da zwei Gesichter zu sein schienen, beide glänzten vor Glück – aber nur ein Kopf war zu erkennen. Trauer, unvermutet, überfiel sie, fremde Trauer, nicht die ihre, so wenig, wie die Sehnsucht und das Drängen in ihr ihr gehörten. Es war in sie eingedrungen, führte sie, und sie hatte sich anvertraut – vollkommen. Das wurde ihr jetzt klar. Sie hatte begonnen sich anzuvertrauen, dem, was sich in ihr regte, sich anzuvertrauen dem, dass sie nicht kannte.
Sie öffnete das Portal und trat ein. Hinter ihr schlugen die Tore mit gewaltigem Krachen zu, und sie stand in gleißender Helligkeit.
Blau und weiß strahlten hier um die Wette, es war kalt, und sie fror. Jedoch breitete sich in ihr etwas aus, das sie, wäre es ihr eigenes Empfinden gewesen, „Vorfreude“ genannt hätte. Sie ging weiter. Der Boden unter ihren Füssen war spiegelblank, sie sah in diesem Boden die Decke die sich über ihr wölbte. Erschrocken glitt ihr Blick nach oben.
Da war „er“. Es war keine Gestalt. Es war nur ein Gesicht, undeutlich schaute es von oben herab zu ihr. Und dieses Gesicht weinte. Sie legte sich auf den glatten Boden, sah hinauf in die Augen, die zu ihr hinab sahen und verlor sich darin. Sie schien zu wirbeln durch Milliarden von Galaxien. Sie sah Sterne erglühen und wieder vergehen. Sie sah Welten entstehen und wieder vergehen.
Schicksale, die sie nicht verstand, von Wesen, die sie nicht kannte, rührten ihr Herz. Sie lernte fremde Trauer und fremdes Leid. Sie lernte Gewalt. Macht siegte über Macht, und Schwäche verlor sich immer in einem Meer aus Tränen. Opfer waren die Nahrung der Mächtigen - eine andere Nahrung gab es niemals, das erkannte sie sogleich. Wer Opfer war, war Nahrung.
Jedoch - etwas fehlte ihr hier. In diesem Puzzle, das sie gut verstand, gab es ein Glied, das ihr fehlte, eine Lücke, irgendetwas war nicht klar darin. Es dauerte, bis sie begriff, was sie so erstaunte: Opfer war hier freiwillig. Und „Macht“ war immer das geliebte Kind des Opfers, das sich gab um dieses Kind zu nähren. Und Gewalt war das Pendel, das hin und her schwang und immer wieder das Signal setzte für Gleichgewicht, für Ordnung: niemand konnte für immer „oben“, niemand für immer „unten“ bleiben. Es gab Ordnungen. Aufmerksam hielt sie ihre Gefühle im Zaum und sah zu, mit jeder Faser ihres Körpers konzentriert, um sich nichts entgehen zu lassen. Offenbar war die Welt doch anders, als sie bisher gedacht hatte. Dies hier gab ein Bild wider, auf dass sie nie zuvor gekommen war.
Städte wurden erbaut und verfielen – und eine neue Stadt wurde erbaut auf den Grundmauern der alten.
Zivilisationen wurden geboren, wurden groß, verfielen, vergingen, gerieten in Vergessenheit. Und eine neue Kultur entstand aus den Trümmern der alten. Was vergessen, strömte unsichtbar, unhörbar, unfühlbar ein in die neue, und wuchs und verging wieder mit ihr.
Blumen und Bäume sprossen hier und da und überall, wurden groß, größer, verdrängten andere, wurden alt, welkten, vergingen. Und ihre Samen hatten schon wieder Wurzeln geschlagen.
Das war es, dass sie hier lernte: Leben war nur zu einem da: Leben zu geben. Es war nicht dazu da, selber zu leben, es war nicht für sich selber gedacht. Es war gedacht, wieder zu vergehen, nachdem es geboren hatte. Das war Leben: so groß zu werden, dass Neues darauf aufbauen konnte. So stark zu sein, dass auch die vergessenen Reste noch den Grundstock bilden konnte, das Fundament, für etwas Neues. Und Nahrung zu sein für das Kommende. Nur dazu gibt es Leben. Dann, wenn es das getan hat, stirbt es. Immer. Und dazu ist es auch da.
Langsam trat sie wieder zurück aus den Augen über ihr. Einen Moment lang war ihr schwindelig, dann setzte sie sich auf.
Und vor ihr spielte sich das erstaunlichste Schauspiel ab, das sie jemals in ihrem Leben gesehen hatte oder sehen würde:
Sie sah die Liebe. Was es genau war, wer es war, das vermochte sie nicht zu erkennen. Auch hätte sie niemals gedacht, dass man Liebe sehen konnte – es war für sie immer ein Gefühl, bestenfalls ein Zustand gewesen.
Aber hier, vor ihren Augen spielte sie sich ab.
Umarmung sah sie – aber nicht, wie viele es waren, die sich umarmten.
Küsse sah und schmeckte sie, aber nicht, wer sich küsste.
Vereinigung fühlte sie stattfinden in sich selber, und sah sie sich vor sich abspielen - aber wer es war, der/die sich vereinigte, konnte sie nicht ausmachen.
Es war, als gäbe es keine Körper, die dies vollzogen.
Es war, als würde ihr die Liebe das Geschenk bereiten, sich sichtbar zu zeigen,
als würde der Kuss ihr das Geschenk machen etwas Gestaltähnliches zu werden,
als würde die Vereinigung – damit die Freude für daran größer, inniger, tiefer noch würde – sich nicht nur in ihr, sondern auch vor ihren Augen sich abspielen:
Liebe, Kuss, Vereinigung, ihr zu Freude, ihr zum Geschenk gaben sie sich, zeigten sie sich, machten sich offenbar.
„Im gleichen Innern sich beides vollzieht.“
Die „Sonne“ hatte sie angestrahlt, sie angefüllt mit Glück und Freude, und sie zu dem Geliebten geführt.
Der „Mond“ hatte sie tiefste Wirklichkeit des Lebens gelehrt.
Und beide hatten durch sie zueinander gefunden.
Für diesmal. Für diesen Moment. Solange sie hier war, solange dies dauerte.
Dann würde ein neuer Zyklus geboren werden. Erneut würden „Sonne“ und „Mond“ das Spiel der Trennung spielen, das Spiel von Drängen und Sehnen; und ein anderer ihres Volkes würde Zeuge werden und Initiator bei dem Spiel der Vereinigung.
Dies war der Tanz. Dies war die Choreographie, von der auf dem Portal schon Zeugnis abgelegt wurde. Und sie war ein Teil des Tanzes, sie, ihr Leben, ihr Volk, das Volk vor ihr: sie alle tanzten diesen Tanz, folgten den vorgegebenen Schritten bis zur Vollendung.
Sie würde es in sich tragen, alles: das Spiel der Trennung und das der Vereinigung;
Und genau in der Mitte zwischen ihren Brüsten würde sie wohnen von nun an.