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Eine Yogagemeinschaft entsteht

Die siebziger Jahre waren eine Zeit neuer Ideologien und neuer Formen des sozialen Zusammenlebens. Das wenigste hiervon konnte sich im Lauf der Zeit behaupten. Überall entstanden damals Kommunen unterschiedlichster ideologischer Prägung. Auch Wohngemeinschaften waren sehr in Mode. Yogakommunen gab es in Indien schon seit Jahrtausenden. Im Unterschied zu christlichen Klöstern gibt es in Ashramas jegliche Form der Zugehörigkeit und Bindungen, vom Mönchtum angefangen über Gastschüler, die einige Jahre zur Ausbildung bleiben, bis zu kurzfristigen Besuchern.

Die Yogatradition zusammen mit den Modetendenzen von Kommunen und Wohngemeinschaften musste fast zwangsläufig auf unsere Yogagemeinschaft rückwirken. Noch dazu, da unsere Yogaschüler fast ausschließlich Studenten waren und gerade unter Studenten die avantgardistischen Strömungen vorherrschten.

Als wir nach Döbling übersiedelten, ein „grüner Bezirk“, der von Gärten und Parks durchwobenen ist, zogen etliche der alten Yogaschüler zu uns in die Nähe. Die neu Hinzukommenden wohnten schon von vornherein nahe bei uns, da wir unsere Werbezettel in den umliegenden Studentenheimen ausgehängt hatten.

Bald mieteten sich einige Yogaschüler in Kleinwohnungen in der Nähe ein. Guru Ananda war überaus geschickt darin freie Kleinwohnungen aufzufinden und an ihre Yogaschüler weiter zu vermitteln. Sie war zu diesem Zeitpunkt 68 Jahre und von unglaublicher Vitalität und Ideenreichtum.

Ananda in der Zeit des Aufbaus der Yogagemeinschaft

Zwei Gassen weiter von unserer Wohnung war die Pantzergasse, die aus zwei Reihen fast gleichartiger Häuser bestand mit ausschließlich Kleinwohnungen – Zimmer/Küche von ca. 25 Quadtratmeter Fläche. Hier wohnten bald mehr als zwanzig Yogis.

Pantzergasse? Über die Pantzergasse gibt es einiges zu sagen. Es ist jene Gasse, in welcher angeblich die ersten Exemplare der Prawda gedruckt wurden, um von hier aus nach Russland geschmuggelt zu werden. Ja, die berühmte Prawda, welche später nach der russischen Revolution zum Sprachorgan des sowjetischen Zentralkomitees wurde. Trotzki lebte damals in Wien. Man erzählte sich folgendes: In den Jahren vor dem 1. Weltkrieg zählten spätere russische Revolutionäre zu den Besuchern des Cafe Central in der Innenstadt von Wien: Stalin, Lenin und Leo Trotzkij, damals noch alias Leo Bronstein, verkehrten hier. Als später die Nachricht der Revolution in Russland nach Wien kam, meinte ein hoher Beamter des Außenministeriums ungläubig (manche meinen es war der Kaiser): "Wer soll denn in Russland Revolution machen! Vielleicht gar der Herr Bronstein aus dem Café Central?" Kaffeehäuser waren immer schon Kulturplätze in Wien, da wurden Revolutionen geschmiedet, aber auch Yogastunden gehalten, wie zu Anandas Zeiten.

Zu Anandas Zeiten erlebte die Pantzergasse ihre zweite Zeit der Bedeutung, wenngleich auch ein wenig einseitig gesehen, nämlich aus meiner subjektiven Sicht.

Zur besseren Illustration eine kleine Milieuschilderung der Pantzergasse zur Zeit der Hochblüte der Yogagemeinschaft. Ich will sie in Form einer visionären, bewussten Traumreise beschreiben:

Und weiter setze ich meinen inneren Gang durch die Pantzergasse fort:

Zurück zum Leben von Ananda und mir: Wir unterschieden uns im Lebensstil kaum von den Studenten – wir alle hatten wenig Geld, aber auch keinen Bedarf für Luxus. Wir waren mit einfachen Dingen glücklich. Wir freuten uns etwa über Deckenleuchten, die aus einem papierenen Sonnenschirm gemacht wurden und waren entzückt, wie man mit billigen Mitteln großartige Effekte erzielen konnte.

Vom Morgen bis zum Abend waren in unserer Wohnung immer einige Yogis anwesend,. Es gab mehr als ein Dutzend „Ashramiten“. Das sind Yogis, die in einem familiärem Verhältnis wie Söhne oder Töchter jederzeit Zugang zum Guru haben. Sie alle hatten Wohnungsschlüssel, konnten kommen und gehen wann immer sie wollten, außer abends, da war Ruhe angesagt. Ananda versuchte ihnen alles bei zu bringen, was ihr im Leben wichtig erschien. Das ging bis zur Ausbildung als Koch, zum Einkauf oder Management von Yogastunden.

Anfangs aßen einige der Ashramiten bei uns zu Mittag. Es waren etwa zwei oder drei Yogis. Es begann damit, dass Ananda den Eindruck hatte, dass etliche der Yogis ungesund und zu sehr von Broten lebten. Bald wurden es mehr Kostgänger und über kurz oder lang reichte der Platz in unserer Wohnung nicht mehr aus. So wurde bei einem Yogaehepaar im Nachbarhaus eine weitere Essensrunde etabliert.

Es war ein fast klösterliches Zusammenleben mit individuellem Freiraum. Alle hatten eine eigene Wohnung, waren unabhängig und konnten in das Zentrum kommen und gehen, wann immer sie wollten.

Allmählich bot unser Yogaraum zu wenig Platz. Als ersten Behelf bauten wir ein hölzernes Sitzpodest entlang der Wände, etwa einen halben Meter hoch mit Teppichen darauf. Der Yogaraum wurde zu einer Miniausgabe eines Amphitheaters, allerdings geschmückt und dekoriert von zahlreichen Mitbringseln der Yogis. Bald übersiedelten wir in größere Yogaräume, die uns von Yogis angeboten wurden.