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Vom Meister beschützt

Durch den täglichen Yogaunterricht wurde mein Kontakt zu Guru Ananda und dem Meister vertrauter und familiärer. Allmählich kam ich nicht nur zu den Yogastunden, sondern ich verbrachte den gesamten Abend bei dem Ehepaar. Auch am Wochenende war ich oft bei ihnen. Ich entlastete Ananda in Besorgungen und Schreibarbeiten und Ananda setzte mich im Yogakreis als aktive Unterstützung ein. Speziell im Hatha Yoga schien ich ihr durch meine Gelenkigkeit, eine Folge meines früheren Judotrainings, sehr geeignet. Von den drei ursprünglichen Anwärtern war ich als einziger über geblieben. Ich erhielt jedoch auch dann meine täglichen Yogastunden, nun als Einzelschüler. Zusätzlich gab mir Ananda Bücher und Lehrmaterial und viele Ratschläge, die sich auf das Leben bezogen und den üblichen Rahmen eines Yogaunterrichtes überschritten.

Sowohl Guru Ananda als auch der Meister waren für mich beeindruckende Menschen. Während mir Ananda ein neues Weltbild vermittelte und mir die Geheimnisse einer unsichtbaren bislang verborgenen Welt öffnete, lehrte mich der Meister die uns vertraute Welt mit anderen Augen zu sehen. Für ihn war alles, was wir zu erschauen vermögen, Ausdruck einer unfassbar vielfältigen göttlichen Schaffenskraft.

Nach einem dreiviertel Jahr Yoga, es war im Frühjahr, hatte ich einen Astraltraum, in dem mir Babaji begegnete.

Jetzt war ich mir gewiss, den Weg zu meiner inneren Heimat zu finden. Er war mir klar vorgezeichnet, wenngleich es ein ganzes Lebens der Bewährung erfordern würde. In meiner Begeisterung schien mir das Leben im Vergleich zum angestrebten Ziel eine kurze Zeit zu sein. Ich war eben noch sehr jung und die vielen Jahre eines Lebens waren für mich eher eine abstrakte Vorstellung, einfach eine Zeit, die von selbst vergeht. Ein Leben mit seinen vielen Tiefen und Höhen ist jedoch mühevoller, stellte ich später fest. Ich war derart vom Ziel besessen, dass es mir greifbar nahe war und ich den Weg beinahe vergaß. Es war wie der Blick zu einem vom Schnee weißglitzerndem Berggipfel, der greifbar nahe erscheint. Wenn man ihn jedoch besteigt, dann erst weiß man wie weit wirklich der Weg zum Gipfel ist.

Yoga als Lebensschwerpunkt war für mich eine klare Sache. Ich fühlte mich beschützt und vertraute meiner Zukunft. Sie schien jenseitig und irdisch abgesichert zu sein. Der Meister, Anandas Künstlergemahl, war mir besonders zugetan und verhielt sich zu mir als wäre ich sein Sohn.

der Meister

Täglich nach meiner Arbeit war mein erster Weg zur Wohnung von Ananda und dem Meister, um beide auf ihrem Weg zum abendlichen Kaffeehausbesuch zu begleiten. Wir liebten es auch kleine Umwege durch die Stadt zu machen. Meist ging Ananda schweigend neben uns, während ich mit dem Meister plauderte. Durch seine tiefe Lebenserfahrung und sein Wissen war der Meister für mich immer ein spannender Unterhalter. Er war auch mein Lehrer:

Durch die Erklärungen des Meisters wurden die Häuser der Innenstadt mit ihren schmuckvollen Fassaden für mich zu Kunstwerken. Sie bekamen Vergangenheit, die später ergänzt wurde durch die Geschichten, die man sich über manches Haus erzählt. Auch veränderten die Fassaden mit der Tageszeit ihr Antlitz, Konturen wurden durch Schatten verstärkt, Figuren durch die Sonne hervorgehoben, die Farben wurden satter oder blasser. Jede Wolke veränderte die Farben und die Schattierung und einen Schritt weiter sah wiederum alles anders aus. Ich lernte durch den Meister, dass wir, mit dem Blick eines Malers, von einer wundervollen Welt umgeben sind. Es ist eine ekstatische Welt. Sie richtig zu erkennen heißt zu staunen, sich in Stille dem Strom der Eindrücke hinzugeben, jenseits allen analytischen Zweckdenkens. Ich lernte dadurch die Schöpfung anders zu sehen, etwa weniger aus der Warte des Zweckdenkens. Ich lernte sie als Kunstwerk zu sehen, und dass es möglich ist, sich in jedes kleine Detail, in jedes zufällige Arrangement zu vertiefen und hierbei in einen Zustand leichten ekstatischen Verzückens zu gelangen. Die Erklärungen des Künstlers vernetzten sich mit meinen späteren ekstatischen Erfahrungen beim Astralreisen. Die Welt selbst wurde für mich zur Basis meiner Meditationen. Ich erlernte Verzückung mit offenen Augen zu erlangen.
Das alles begann mit dem Meister, der mich lehrte die Einmaligkeit und Schönheit der Dinge zu sehen und die Welt zu lieben. Durch ihn wurde meine ursprüngliche Tendenz zur Weltflucht verändert. In Fortsetzung dieses neu eingeschlagenen Weges wurde ich in späteren Jahren mehr und mehr zu einem Liebesmystiker.

Eines Tages sagte der Meister zu Ananda: „Alfredo wird immer bei dir bleiben und dir eine Lebensstütze sein.“ Er sagte dies in voller Überzeugung, als Zeichen einer Vorahnung. Vorahnungen des Meisters waren für Ananda Schicksalsweisungen und sie vertraute ihnen, da sie sich bislang immer bewahrheitet hatten.
Ab nun begegnete mir Ananda mit noch mehr Aufmerksamkeit. Auch diesmal würden sich die Worte des Meisters erfüllen.

Ich glaube, der Meister fühlte damals, dass seine Lebenszeit zu Ende ging und wünschte sich für Ananda eine Stütze. Es würde mich nicht wundern, wenn er hierfür intensiv gebetet hätte. Ich glaube es sogar. Er wusste, dass Ananda nicht so selbstsicher war, wie sie sich gab. Die Welt war ihr niemals eine Heimat. Allein gelassen nach seinem Tod hätte sie vielleicht aufgegeben. Sie war eine immens starke Kämpferin, aber nur dann, wenn es etwas gab, wofür sich zu kämpfen lohnte.

Der Meister lebte in seiner Kunst und stand über dem Alltagsleben. Nie mischte er sich in die Angelegenheiten Anandas ein. Ich glaube aber, dass er es in meinem Fall getan hätte, wenn es notwendig gewesen wäre mich zu beschützen. Er mochte mich und zwischen uns herrschte eine unausgesprochene Seelenverbindung, die uns in vielem übereinstimmen ließ. Diese innere Verbindung blieb bis heute. Sie zeigt sich in Zufällen, wenn man es so sehen will: so lebe ich jetzt im Nachbarort seines Geburtsdorfes im Burgenland, rein zufällig. Oft schon habe ich inzwischen sein Geburtshaus aufgesucht und mit Menschen gesprochen, die ihn kannten.