Wunder und eine Welt der Mystik
Ich war glücklich einen Guru gefunden zu haben. Der alte Traum einer spirituellen Heimat schien sich mir endlich zu erfüllen. Es war mir als wäre ich neu geboren. Oft saß ich auf einer Parkbank und in meinem Herzen näherten sich Yogis tagtraumartig aus meiner verklärten inneren Heimat. Tränen rannen mir über die Wangen, mein Herz wurde weich und von unsäglicher Liebe und Sehnsucht erfüllt.
Um diese Zeit hatte ich folgendes Erlebnis:
Zunächst hatte ich einen Traum, in welchem ich davor stand, um in die Schule zu gehen. Ich ging nie gerne in die Schule. Irgendwie war mir im Traum bewusst, dass ich bereits im Beruf stand und die Schulzeit hinter mir gelassen hatte. In meinem Widerwillen bemühte ich mich den Bilderstrom des Traumes anzuhalten, indem ich versuchte, so wie ich es im Yoga gelernt hatte, den Strom der Gedanken und Vorstellungsbilder zum Schweigen zu bringen. Bei diesem Versuch fühlte ich eine innere Kraft anwachsen und auf einmal geschah etwas ganz Seltsames - es war, als ob ich aus der gewohnten Welt in eine andere Dimension katapultiert worden wäre. Ein plötzlicher Kontinuitätsbruch hatte eingesetzt und alles war anders:
Ich ging inmitten einer Landstraße, die sich am Horizont verlor. Alles, die Steine der Straße, die Kräuter an ihrem Rand, alles konnte ich völlig real mit meinen Sinnen wahrnehmen. Ich war mir auch meiner Persönlichkeit bewusst, wenngleich ich eine andere zusätzliche Vergangenheit hatte. Ich wusste auch um mein irdisches Dasein, aber in diesem Augenblick erschien mir das irdische Leben bedeutungslos. Ich fühlte mich als ein ewiges Wesen, dem Jahrhunderte nicht mehr waren als uns irdischen Menschen die Tage. Wichtig war für mich nur eines – das Ziel.
Genau daran, dieses Ziel zu erreichen, wollte mich der König der Stadt, die ich soeben hinter mir gelassen hatte, hindern. Er wollte die Fortsetzung meines Weges verzögern, solang als nur möglich. Er hatte mich eingeladen in seinem Palast zu bleiben und versprach mir, mich reich zu bewirten und alle meine Wünsche zu erfüllen. Dankend lehnte ich ab. So tat er großzügig und schenkte mir einen Sack voll Gold, in der Hoffnung, dass durch das Gewicht meine Schritte schwer und langsam werden würden. Ich nahm das Geschenk an, um ihn nicht zu brüskieren. Dann aber, außerhalb seines Einflussgebietes, lachte ich über diesen Versuch mich in Illusionen einzuhüllen, warf den Sack an den Straßenrand und ging zuversichtlich weiter.
Der Traum entsprach voll und ganz meinem damaligen und auch noch jetzigem Denken und Fühlen. Ich hatte lange auf den Yoga gewartet. Nun da ich ihn hatte, ließ ich ihn nicht mehr los. Jetzt, da ich einen Guru gefunden hatte, ließ ich mich durch nichts vom Weg abhalten oder fort locken. Was sollten mir die Güter einer vergänglichen Welt.
Guru Ananda war ihrem Wesen nach bestens geeignet mir eine Welt von Idealen und religiösen Wundern näher zu bringen. Deshalb, weil sie selbst aus einer tiefreligiösen Welt kam, die mit der nach materiellen Gütern und Wünschen ausgerichteten Stadtkultur nichts zu tun hatte.
Ananda entstammte einer chassidischen (jüdischer, mystischer Glaubenszweig) Familie. Ihr Großvater war Oberrabbiner. Er galt als „Wunderrabbi“ und erweckte in Ananda das Interesse für die heiligen Schriften. Ab dem Alter von fünf Jahren las Ananda diese heimlich im Bett bei Kerzenschein. Ihr Großvater steckte ihr Kerzen und Schriften zu. Auch übersah er gleichsam, dass sie gelegentlich „verborgen“ unter dem großen Tisch saß, und den Belehrungen im Kreise der Bocher (Talmudschülern) zuhörte. Er schätzte ihr Interesse und liebte sie so, dass er solch kleine Verletzungen der Vorschriften übersah.
Der Großvater, Rabbi Abraham Wassermann
In einem meiner Träume saß ich mit Chassidim an einer langen Holztafel. Festliches Essen war auf dem Tisch. Es war Bamitzwa. Nach dem Essen zogen sich die Männer in ein Zimmer zurück, um fromme Gespräche zu führen. Da öffnete sich die Tür und Anandas Großvater trat ein. Wir alle, die Chassidim und ich, mussten unsere Augen senken, um nicht von seinem Licht geblendet zu werden.
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Wunder und Gerüchte festigten in Ananda die Aussagen der heiligen Schriften. Es gab zum Beispiel einen großen Mehlkrug, auf dem ein Broche (Segen) lag, so dass er nie leer wurde. Oder, so wurde erzählt, kam eines Tages ein Gemeindemitglied als Bittsteller zum Großvater, verängstigt über ein Ächzen und Stöhnen, das in der Wohnstube oft zu hören war. Der Großvater suchte das Haus auf. Dort stellte er sich in die Mitte des Raumes, schloss die Augen, fühlte in sich hinein und sprach laut „falle, falle“. Da tat sich ein Deckenbalken auf und ein Goldschatz fiel herunter.
„Er wurde auf unrechte Art erworben, deshalb fand die Seele keine Ruhe“, erklärte der Rabbi.
Eine Hälfte des Schatzes bekamen arme Leute aus der Gemeinde, die andere Hälfte durfte jener Mann behalten, der dort wohnte.
Es gab noch mehr solcher Erzählungen. Ananda hatte als Kind auch eigene Erlebnisse. Sie vertraute sich damals nur ihrem Großvater an. Der hörte bei solchen Gelegenheiten aufmerksam zu und tat ihre Erzählungen nicht als Kindergerede ab, wie die anderen. Eine der Erinnerungen Anandas fand ich besonders rührend:
Eines Tages zerbrach der Kopf von Anandas Puppe. Die Puppe war ihre Vertraute, der sie alles erzählen konnte, jede Kränkung und jede Freude. Der Großvater hatte ja leider viel zu tun und konnte nicht immer für sie da sein. Jedenfalls als der Porzellankopf der Puppe zerbrach, weinte Ananda sehr und sie bat ihren Großvater die Puppe würdig und mit Segen zu bestatten. Das tat der Großvater nicht und er erklärte Ananda geduldig den Unterschied zwischen den Geschöpfen Gottes und den menschlichen Dingen. "All dem, das von Gott erschaffen wurde, dem wohnt ein göttlicher Funke inne und macht es unsterblich. Wenn es stirbt, verlässt es die Erde und lebt wo anders weiter. Die Dinge der Menschen jedoch sind vergänglich. Vielen Dingen messen die Menschen oft zu viel und zu große Bedeutung bei und sie vergessen wie nichtig und vergänglich menschliche Werke sind, verglichen zum göttlichen Werk."
Einmal ging Ananda mit ihrem Großvater zur Volksschule, es war gerade kein Unterricht. Vor der Schule riss sich Ananda von ihrem Großvater los und rannte ihm davon. Außer Atem kam der Großvater nach. Er fand Ananda in einer Schulklasse auf der ersten Bank sitzend. Sie strahlte und fühlte sich dort sichtlich wohl. Als der Großvater das sah, rollten Tränen über seine Wangen. Ungewöhnlich für diesen alten Mann. Am Heimweg erklärte er ihr: sie, Ananda, saß genau auf dem Platz, an dem sein geliebter, vor einigen Jahren verstorbener Enkel gesessen hatte.
Als ich erfuhr, dass mein Großvater, Rabbi Wassermann, in die andere Welt gegangen war, erlebte ich folgendes in zwei aufeinanderfolgenden Nächten:
Ich fühlte plötzlich wie etwas, das ebenfalls ich zu sein schien, aus mir heraus trat und zuerst zum Grab meines Großvaters reiste. Anschließend besuchte ich die Dorfstätten meiner Kindheit, wo ich alle Plätze aufsuchte, die mir lieb geworden waren. Wie lange der Zustand dauerte, weiß ich nicht; er wirkte aber den ganzen Tag. Die Nacht darauf trat ich wieder aus dem Körper und wieder besuchte ich alle Plätze meiner Kindheit, jedoch diesmal nicht allein. Ein strahlender jenseitiger Helfer war bei mir. Gegen Morgen schlüpfte dann mein Astralleib wieder in den Fleischkörper zurück.
Was blieb davon?
Ein Überflutetwerden von Erhobenseinszuständen und spontanes Hellfühlen.
Diese Astralwanderungen sind seither zu meinem zweiten Leben auf dem irdischen Plan geworden. Sie lassen sich durch nichts herbeiführen, sie kommen oft Monate nicht und dann wieder häufig.
Der jenseitige Helfer, der mich jetzt begleitet, ist derselbe wie damals vor Jahrzehnten, ich verehre und liebe ihn unaussprechlich. Er ist meine Brücke zum Jenseits, von welchem uns alle nur ein Schleier trennt.
Ananda war damals 16 Jahre alt und verdiente sich als freischaffende Journalistin ihren Unterhalt.
Ananda mit ca. 20 Jahren, strahlend dunkle Augen und schwarze Haare
Nach dem Krieg verschlug es Ananda mit ihrem Ehemann, dem Meister, nach Wien. Ein wichtiger Schritt des Schicksals, das uns auf diese Art örtlich näher brachte.
Zurück zu meiner Anfangszeit im Yoga. Für mich war Yoga eine geheimnisvolle Lehre, die, wenn wir es wagen die Fesseln der irdischen Konventionen zu sprengen, uns in ein Reich der Wunder eintreten lässt. Dies kann ich nunmehr mit Überzeugung aus der Erfahrung meines Lebens heraus bestätigen. Ich hatte es damals geahnt, deshalb hatte eine Yogaschülerschaft für mich eine derart große Bedeutung. Es ging dabei nicht nur um Lernen, sondern auch um Einbettung. Ich war der Ansicht, dass ich Yoga nicht anonym erlernen könne, etwa aus einem Buch oder durch Lehrer, die ohne Interesse an der Person der Lernenden ein Kursprogramm vortragen. Ein Buch legt man zur Seite und damit ist der Yogakontakt gleichsam wieder abgebrochen. Das gilt auch für einen Kursbetrieb. Man hat niemanden, den man bei plötzlich auftretenden Fragen zur Seite hätte, sondern muss bis zur nächsten Kursstunde warten, um dann eine oft kurze und nicht zufriedenstellende Antwort zu erhalten. Das wäre mir zu wenig gewesen. Ich wollte den Yoga nicht nur in mir erleben, sondern auch von ihm umgeben sein. Ich fühlte mich wie das Blatt eines Baumes, das an einem kleinen Zweig hängt, der seinerseits Teil eines größeren Astes ist. Das Kleinere ist mit dem Größeren verbunden bis zum Stamm. Ja, um leben zu können muss das Blatt mit dem Baum verbunden sein.
Hier eine Stelle aus einer Vorlesung von Ananda:
Eingebettet in die großen Energieströme des Universums gibt es die jenseitigen Ashrams der Satgurus. Die Mitglieder gehören unterschiedlichen Entwicklungsstufen an, vom kleinen Chela bis zu dem mit dem Meister verschmolzenem Chela. Alle sind sie wichtig, alle haben sie ihre Aufgabe. Jede Gemeinschaft gipfelt in der Buddhi-Ebene und setzt sich nach unten auf den jenseitigen Astralebenen fort bis hinunter zur Erde.
Ein angenommener Chela wird sich durch viele Leben bewähren müssen. Seine Liebe und Hilfsbereitschaft für die Menschheit wird in jedem Leben stärker und im selben Maße nimmt sein Egoismus ab. Er lernt, sich durch nichts mehr davon abhalten zu lassen, seine Aufgabe voll zu erfüllen. Je weniger er an seinen Fortschritt denkt, desto schneller wird er auf seinem Weg vorwärts kommen. Er lernt sich von seiner Ichbezogenheit zu lösen.
Auf diese Weise dringt der Chela (Yogi) mehr und mehr in die Erkenntnisse seines göttlichen Urquells ein, und er erkennt, dass er untrennbar eins ist mit seinem Satguru. So wird er zum Schüler im Herzen des Meisters. Er ist von seinem Wesen immer umgeben. Durchdrungen von der göttlichen Allkraft wird er eins mit ihr.
Ich war damals überzeugt von der Idee durch lange Zeit schon dem Yoga anzugehören und in einem jenseitigen Ashram meine wahre Heimat zu haben. Es war mein verlorenes Paradies, zu dem ich wieder zurück wollte. Ich sah das allerdings nicht im Detail, sondern eher verschwommen, etwa so:
Babaji
Unvergessen ruhst du in mir als Sehnsucht,
unsichtbar und doch fühlbar.
Geborgenheit fühl ich in deiner Nähe,
Heimat bist du mir.
Und doch, ich hab was damals war vergessen.
Wie lang wohl mag es her sein?
War es in dieser oder einer anderen Welt?
Meine Erinnerung ist in den Zeiten der Dunkelheit verblasst,
deine Liebe aber bleibt unvergessen in meinem Herzen!
In Träumen erklomm ich bisweilen eine steile Bergwand, hinauf zu einem Hochplateau. Dort in einem flachen Tal war ein Kloster und nicht weit davon meine Hütte:
Den Augen der Fremden verborgen,
zur einen Seite steile Felsen,
zur anderen Seite der Abgrund,
ist der Weg zurück in die Heimat.
Ganz oben, nicht sichtbar mehr,
wartet die kleine Hütte,
die Wände aus Steinen, die der Berg geschenkt,
als Dach der schützende Fels,
der sich über die Zweige neigt,
die notdürftig als Dach die Hütte bedecken.
Hier habe ich einmal gelebt,
mit dem Blick zum Himmel
und einem Lächeln beim Anblick
der klein erscheinenden Welt darunter.
Solche inneren Bilder hatten für mich eine größere Anziehungskraft als der Kampf um Status, Prestige und Position im Alltagsleben. All das, was viele Menschen sich so heiß ersehnen, war für mich vergänglich. Ein Monolog von Calderon bringt zum Ausdruck als was ich die Welt betrachtete (und noch immer betrachte):
„Das Leben ein Traum“ von Calderon.
(Monolog von dem jungen Königsohn Sigismund)
Denn in den Räumen
der Wunderwelt in der wir schweben,
ist nur ein Traum das ganze Leben;
und jeder Mensch, erfahr ich nun,
er träumt sein ganzes Sein und Tun,
bis dann zuletzt die Träum entschweben.
Der König träumt, er sei ein König.
Und tief in diesen Traum versenkt,
gebietet er und herrscht und lenkt,
und alles ist ihm untertänig;
Doch es zerstäubt sein Glück der Tod,
der ihn zu wecken immer droht.
Wen kann die Herrschaft lüstern machen,
der weiß, sie schwindet beim Erwachen? –
Der Reiche träumet, und es zeigen
ihm Schätze sich doch ohne Frieden.
Es träumt der Arme auch hienieden,
er sei ganz elend und leibeigen.
Es träumet, wer beginnt zu steigen;
es träumet, wer da sorgt und rennt,
wer liebt und wer vom Hass entbrennt,
kurz, auf dem weiten Erdenballe,
was alle sind, das träumen alle,
obgleich nicht einer es erkennt.
Und also träum ich jetzt, ich sei
gefangen und mit Schmach gebunden,
wie ich geträumt vor wenig Stunden,
da ich mich glücklich sah und frei. –
Was ist das Leben? Raserei!
Was ist das Leben? Hohler Schaum,
ein täuschend Bild, ein Schatten kaum!
Gar wenig kann das Glück uns geben,
denn nur ein Traum ist alles Leben,
und selbst die Träume sind ein Traum.
Hätte ich damals die Möglichkeit gehabt mich in eine Yoga Einsiedelei zurück zu ziehen, so wäre dies die Erfüllung all meiner Träume gewesen. Ich hätte mich von der Welt zurück gezogen, um mich meinen mystischen Träumen hinzugeben. Allerdings wäre ich hierbei einer großen Illusion erlegen - nie wäre ich zu einer echten und bewährten All-Liebe gelangt, obwohl sie so nahe schien, und zwar deshalb, weil ich die Menschen aus diesen Träumen der Liebesverbundenheit ausgeklammert hätte. Liebe wäre ein abstrakter Zustand gewesen, ohne eine Bewährung durch die Begegnung. Ich hielt damals eine Eremitage als einen ungestörten Ort der Gottesnähe. Gott zu finden, indem man seiner Schöpfung den Rücken kehrt, ist vielleicht doch nicht der rechte Weg, wenngleich er sehr verlockend sein mag. Es war anderes vorgesehen: Das, was ich in meinem Leben erlernen sollte, war die Liebe zu den Menschen. Das jedoch war für mich nicht einfach und ich gebe zu, ich meide nach wie vor eine zu große Nähe zu den meisten Menschen, weil ich mich vor ihnen fürchte. Ich fürchte mich nicht verstanden zu werden und davor, dass das, was mir heilig ist in den Schmutz gezogen wird. Diese Furcht würde sich verlieren, wenn ich imstande wäre das göttliche Urbild aus den Menschen herausleuchten zu sehen. Das jedoch gelingt mir nur selten – womit ich noch weit von meinem Ziel entfernt bin.
Hierzu ein Klartraum, den ich in jener Zeit hatte:
Ich stand auf einem breiten Weg, rechts von mir eine Wiese, die den Blick auf den Hang ein kleines Stück frei gab. Etwa hundert Meter oberhalb von mir wurde die Wiese von einem Buchenwald mit hohen mächtigen Bäumen begrenzt. Die Sonne ging gerade auf und überzog die Stämme und Blätter der Bäume mit rotgoldenem Leuchten.
Wie ich so die wunderschöne Landschaft bewunderte, wusste ich auf einmal mit großer Gewissheit: „Babaji wird in einem der nächsten Augenblicke die Wiese herab kommen!“ Freudige Erregung erfasste mich, welch wundervolles Geschenk!
Gespannt blieb ich stehen und wartete. Aus dem Buchenwald trat ein Mann heraus. „Da, jetzt kommt wer herunter! Das muss er sein“, schrie es geradezu in mir. Der Mann kam näher und wurde deutlicher erkennbar. Es war eine hagere Gestalt, etwa um fünfzig Jahre, mit dem Aussehen eines Büroangestellten in ungebügeltem, schlottrigen Anzug.
„Ach, das kann er nicht sein“, dachte ich enttäuscht. „Babaji ist ein Inder und kein Europäer, läuft nicht im Anzug und schaut zudem ganz anders aus.“
Der Mann ging an mir vorbei und ich schenkte ihm keine weitere Beachtung mehr, den Blick neuerlich wieder zum Rand des Buchenwaldes gerichtet.
Ich wartete weiter, es dauerte für mein Empfinden lang und ich wurde etwas unsicher. „Vielleicht täusche ich mich doch in meiner Erwartung“, dachte ich mir. „Ah, da kommt wieder jemand die Wiese herab, das muss er sein!“
Der Mann kam näher und allmählich konnte ich ihn deutlicher sehen. Er hatte ein wohl genährtes Bäuchlein, das sich vorwölbte und er hatte ein rötliches, schwabbeliges Gesicht. Ach, wie war ich enttäuscht. „Das ist kein Asket wie die Yogis des Himalaya“, dachte ich. Unbeachtet ließ ich den Mann an mir vorbeigehen.
Da hörte ich ein Lachen, das innen und außen gleichzeitig zu hören war. Dann kamen ernster und dennoch noch in heiterem Ton die Worte:
„Wenn Du mich in allen Menschen erkennst, dann werden wir uns wieder begegnen.“
Der Helltraum beschrieb meine damalige Situation treffend. Ich sah in meiner Nähe zu Babaji meine Yogaverwirklichung. Babaji war mir der Inbegriff von Liebe, innere Heimat und Geborgenheit. Obwohl es in diesem Traum deutlich gezeigt wurde, erkannte ich nicht, dass die Nähe zu Babaji nicht örtlich aufzufassen sei, sondern als Zustand. Es wurde mir zwar gezeigt, dass Babaji eins mit dem göttlichen Allbewusstsein sei, jenseits einer Ich-Du Beziehung, doch war mir dies noch zu fremd, als dass es Eingang in mein Bewusstsein gefunden hätte. Es war nur ein Schlagwort, das ich gern in den Yogastunden akzeptierte, aber es war nichts, das in mir eine innere Resonanz auslöste. So war für mich Babaji nach wie vor göttlich, jedoch Person. Dennoch begriff ich die Traumbotschaft zumindest so weit, um sie als eine Aufforderung zu sehen die Menschen lieben zu lernen. Nur dann könne ich einmal wieder örtlich mit Babaji in einer Gemeinschaft der Yogis vereint sein, so dachte ich damals. Ich machte mich in dieser Richtung auf den Weg und es war ein weiter Weg, viel weiter als ich damals ahnte. Ein kleiner Traum jener Zeit zeigte mir was noch auf mich wartete:
Ich wanderte entlang eines Ackerweges. Zur linken Seite war ein sehr großes Ährenfeld mit seinen schönen, vollen goldgelben Halmen. Doch das Feld war sehr schütter und es gab viele und große Leerstellen in dem Acker. Dies erfüllte mich mit großem Bedauern, denn ich wusste, das Ährenfeld sollte meine Lebensleistung darstellen. Dann wendete sich mein Blick zur rechten Seite. Dort sah ich einen haushohen Schotterberg. Ich erschrak. Das waren die Hindernisse, die „Steine auf dem Weg“, die es abzuarbeiten galt. Wie sollte ich das bewältigen können, dachte ich mir erschrocken?
Der Traum zeigte mir nicht nur meinen Seelenzustand und meine Aufgaben. Es war noch eine weitere Botschaft in dem Traum enthalten: Yoga ist keine Romantik, sondern harte Arbeit.